Ein Versagen der österreichischen Behörden ortete der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Martin Graf rund um die Inhaftierung des 84-jährigen Österreichers Herbert Fritz, der von den Taliban im Mai 2023 verschleppt und seither als politische Geisel in einem Guantanamo-ähnlichen Gefängnis unschuldig festgehalten wird. „Die bisherigen Bemühungen des österreichischen Außenministeriums, um den Österreicher freizubekommen, gingen über konsularische Tätigkeiten nicht hinaus“, kritisierte Graf heute, Freitag, im Rahmen einer Pressekonferenz, die er gemeinsam mit Sigrid Kappl, der Tochter von Fritz, in Wien abhielt. Beide forderten die heimischen Behörden - im Besonderen ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg - auf, endlich ernsthafte Verhandlungen mit den Taliban aufzunehmen, um Fritz endlich wieder nach Österreich bringen zu können.
Fünf Forderungen an zuständige Politiker
Der FPÖ-Nationalratsabgeordnete und Kappl stellten fünf Forderungen an die politisch Verantwortlichen: „Es muss endlich ein Krisenstab eingesetzt werden, um direkte Verhandlungen mit Afghanistan aufzunehmen. Dazu muss offiziell ein Unterhändler nominiert werden, um die Freilassung des Österreichers zu verhandeln. Weiters fordern wir die Schließung der afghanischen Botschaft in Österreich und das Einfrieren der Hilfsgelder für Afghanistan.“
Eingesperrt in Zelle ohne Tageslicht
Fritz wurde vermutlich am 19. Mai 2023 von Schergen des Taliban- Regimes in Kabul auf offener Straße entführt. Mit einer Kapuze über den Kopf wurde er in ein Gefängnis verschleppt. Nach monatelanger Einzelhaft kam der Österreicher in das Außengeheimdienst-Gefängnis „Reyast 40“, in dem er jetzt mit drei weiteren Insassen in einer Zelle ohne Tageslicht, auf Matratzen, kaltem Boden und ohne Decken untergebracht ist. Die Situation ist dramatisch: Hilfslieferungen wie dringend notwendige Medikamente kommen nicht oder nur spärlich an. Das Hörgerät ist kaputt - ohne Hörgerät könnte er bald taub sein.
Foto auf Mobiltelefon wurde Fritz zum Verhängnis
Fritz reiste nach Afghanistan, um für sein Buch zu recherchieren. Anscheinend wurde ihm zum Verhängnis, dass er beim „2. Wiener Intra- Afghanistan-Treffen“ am 26. April 2023 im „Bruno Kreisky Forum“ ein gemeinsames Foto mit dem afghanischen Oppositionsführer Ahmad Schah Massoud gemacht hatte und dieses Foto auf seinem Mobiltelefon speicherte. Es wird vermutet, dass diese Aufnahme bei einer Kontrolle entdeckt worden war. Gegen Fritz gibt es bis dato keine Anklage, geschweige denn eine Verurteilung. Zuletzt hatte Fritz' Tochter am 31. Jänner Kontakt mit ihrem Vater. Es fand ein kurzes, von den Behörden überwachtes Telefonat statt.
Britische Behörden konnten Landsmann befreien
Der Engländer Kevin Cornwell war mehrere Wochen lang ein Zellengenosse von Fritz in Afghanistan. Den britischen Behörden war es gelungen, den im Jänner 2023 verschleppten Briten, der als Mitarbeiter einer medizinischen Organisation im Auftrag der Vereinten Nationen klinische Infrastruktur in Afghanistan errichtete, im Oktober 2023 nach Verhandlungen zu befreien. In einem Video schilderte er die fürchterlichen Haftbedingungen in Afghanistan und seine Zeit mit Herbert Fritz wie folgt:
Unbeschreiblich Zustände in Geheimdienst-Gefängnis
„Die Zelle ähnelte einer Tiefgarage, da sie weder Tageslicht noch Fenster hatte. Es gab keine Belüftung im Raum, und das Einzige, was einen Luftstrom erzeugte, war ein Standventilator, der sich in der Nähe der Tür befand. Wir sollten 20 Minuten pro Woche im Sonnenlicht sein. Die Wachen ändern dies jedoch auf 20 Minuten im Monat, in manchen Fällen sogar gar nicht. Wenn keine Kommandeure in der Nähe wären, hätten wir weniger Zeit im Sonnenlicht.
Herbert hat eine Reihe gesundheitlicher Beschwerden, die jedoch durch den Mangel an ausreichender Ernährung und das Leben in der schlimmsten Umgebung, die man sich vorstellen kann, noch schlimmer wurden. Als ich bei Herbert war, litt er an Bluthochdruck. Die Ärzte, die in die Haftanstalt kamen, sind sehr schlecht ausgebildet und verabreichen in den meisten Fällen die falschen Medikamente und behandeln sie schlecht. Diese Ärzte haben auch Angst vor den GDI-Wachen der Taliban.
Allen Häftlingen ist es erlaubt, für einige Minuten am Tag den Korridor innerhalb des Zellenblocks auf und ab zu gehen, um sich zu bewegen. Sobald Sie jedoch in Ihrer Zelle eingesperrt sind und die Toilette benötigen, müssen sie in einen Kübel oder in eine leere Limonadenflasche urinieren. Das ist für eine Person jeden Alters erniedrigend.
Ich hoffe, dass die österreichische Regierung Maßnahmen ergreift, um Herbert aus den Fängen der Taliban zu befreien und ihn sicher nach Hause zu bringen, bevor sich sein Zustand verschlechtert. Der einzige Weg vorwärts besteht darin, dass jeder mitmacht und die sozialen Medien und die Presse nutzt, um seine Geschichte weltweit bekannt zu machen. Die Taliban haben sich nicht verändert. Der Wert des Lebens ist aufgrund ihres Glaubens ziemlich gering. Im ganzen Land kommt es immer noch zu Gräueltaten. Lokale Gefangene wurden vor meiner Freilassung geschlagen und durch Stromschläge getötet. Herbert ist so ein liebenswerter Mann. Er hat es verdient, zu Hause bei seiner Familie zu sein, genau wie die anderen. Bitte tun Sie alles, was Sie können, und teilen Sie diese Geschichte, bevor es zu spät ist.“
Beschämende Untätigkeit unseres Außenministeriums
„Wenn das Außenministerium in Wien nicht bald ernsthafte Bemühungen für eine Freilassung von Fritz startet, ist es vielleicht zu spät. Ich habe leider wirklich den Eindruck, dass ÖVP-Außenminister Schallenberg in Wahrheit kein großes Interesse hat, einem zu Unrecht von den Taliban verschleppten Österreicher zu helfen. Das ist nicht nur traurig, sondern auch ein skandalöses Verhalten!“, so Graf.