Herr Abgeordneter, alle reden vom Ärzte- und Pflegekräftemangel, aber erst jetzt hat die Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD) Zahlen publiziert und Alarm geschlagen. Hat man zu lange zugewartet?
Kaniak: Die GÖD hat in ihrer Erhebung Erschreckendes zu Tage getragen. Fast zehn Prozent der heimischen Spitalsbetten müssen gesperrt werden, weil Ärzte und Pflegekräfte fehlen. Das bestätigt unsere Warnungen, mit denen wir Schwarz-Grün seit Regierungsantritt zum Handeln aufgefordert haben. Bisher leider vergeblich, wenn man vom letztwöchigen Beschluss der Einführung der Pflegelehre einmal absieht, der von ÖVP und Grünen aber auch wieder nur halbherzig umgesetzt wurde. Denn der Ausbildungsbeitrag beträgt nur 600 Euro und liegt damit unter der Lehrlingsentschädigung von 650 Euro. Die ÖVP versagt damit genau jenen jungen Menschen die notwendige Anerkennung, die unser Gesundheits- und das Pflegesystem vor dem Zusammenbruch bewahren sollen. Zynischer kann man Gesundheitspolitik nicht konterkarieren.
Die Pflegelehre, die in der Schweiz von den Jugendlichen bestens angenommen wird und aus-
gezeichnet funktioniert, wird in Österreich nur alibihalber in Angriff genommen?
Kaniak: Was es braucht, ist entschlossenes Handeln, das auf einem durchdachten Plan fußt, wo man alle Faktoren umfassend bedient. Mit dem halbherzigen Weiterwursteln fährt Schwarz-Grün unser vormals vorbildhaftes Gesundheitssystem endgültig gegen die Wand. Es
hilft nichts, wenn die Koalition nur kosmetisch und punktuell einzugreifen versucht. Das Problem muss ganzheitlich gelöst werden! Reformen über Verordnungen einzuleiten, ist in unseren Augen kein probates Mittel. Wir Freiheitlichen fordern, dass der Nationalrat geschlossen als Gesetzgeber agieren muss. Die Parteien kennen mittlerweile die Probleme im System. Ich lade daher jeden ein, unseren „Sechs-Punkte-Plan“ zu unterstützen.
Können Sie diese sechs Punkte erläutern, mit denen die Freiheitlichen das Gesundheitssystem retten wollen?
Kaniak: Die Probleme lassen sich in drei Bereiche einteilen: der Personalmangel, die Leistungsebene sowie die Komplexität auf der Finanzierungs- und der Entscheidungsebene. Im Bereich Personal müssen die beruflichen Rahmenbedingungen geändert und die strukturellen Probleme gelöst werden. Dazu müsste für eine ordentliche Personalplanung der österreichische „Strukturplan Gesundheit“ evaluiert werden, ebenso wie die regionalen Strukturpläne. Auch die überbordende Dokumentationspflicht und bürokratische Dauerbelastungen verschärfen die Situation. Betreffend der Arbeitszeiten braucht es mehr Planungssicherheit mit verbesserter Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Bei den Ärzten könnte man der Pensionierungswelle kurzfristig durch Anreize zur Weiterbeschäftigung und einer temporären Aufhebung der Altersgrenze für Kassenärzte entgegenwirken. Besonders rasch wäre eine Integration der Wahlärzte in das öffentliche Gesundheitssystem mit einer Möglichkeit der „Doppeltätigkeit“ als Wahl- und Kassenarzt wirksam. Mittelfristig könnten bundesweit einheitliche Stipendien für Medizinstudenten eine Lösung sein, durch die sich junge Ärzte zur Annahme einer Kassen- oder Spitalsstelle verpflichten.
Das ist der einfachere Teil der Reform, gescheitert sind bisherige aber an der „Komplexität des Systems“, dem Föderalismus.
Kaniak: Diese Reform muss angegangen werden, weil unser Gesundheitswesen immer spitalslastiger geworden ist und der Anteil an kassenärztlichen Ordinationen massiv zurückgeht. Die Primärversorgungszentren, die für Entlastung sorgen könnten, befinden sich erst im Aufbau. Es bedarf daher einer Ausweitung und Aufwertung der Kompetenzen aller Gesundheitsberufe, um eine größere Akzeptanz zu schaffen und eine Entlastung der jeweiligen höherwertigen Berufe zu schaffen. Das heißt, wir benötigen eine Lenkung der Patientenströme in die richtige Richtung: nämlich in die lokale Gesundheitsversorgung zum niedergelassenen Bereich, um eben die Spitäler zu entlasten. Dieser Schritt ist in den Verhandlungen über die Landeszielsteuerung und 15a-Vereinbarung mit den Ländern nur mit mäßigem Erfolg angegangen worden. Für eine effiziente Mittelverwendung und Lenkung der Patientenströme bedarf es einer Verknüpfung der Finanzierung und der Entscheidungskompetenz. Also eine Finanzierung aus einer Hand wäre langfristig die effizienteste Möglichkeit, die Steuerbarkeit des Gesundheitssystems herzustellen und die vorhandenen Mittel bestmöglich einzusetzen.