In ihrer Dämonisierung Moskaus und Pekings hat sich Brüssel in die Isolation geredet. Diplomatie war gestern, Waffen und Sanktionen sollen Lösungen herbeiführen. „Make Europe great again“, lautet hingegen Viktor Orbáns Devise. Das vorgeblich „weltgrößte Friedensprojekt“ sollte auch die Größe haben, diplomatisch Frieden zu schaffen.
Apokalypse des ungarischen EU-Ratsvorsitzes
Bereits einen Tag vor der angekündigten Apokalypse des ungarischen EU-Ratsvorsitzes scheuchte Orbán Politiker und Journalisten im Brüsseler Elfenbeinturm auf – und dann ging es Schlag auf Schlag. Auf die Gründung der Fraktion der „Patrioten für Europa“ mit der tschechischen ANO und der FPÖ folgte das, was die EU fürchtet wie der Teufel das Weihwasser: eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine, der nicht erst mit dem Angriff Russlands am 22. Februar 2022 ausgebrochen ist.
Umfassende Rechte für ungarische Minderheit in Ukraine
Am 2. Juli traf Orbán in Kiew den ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj. Was in Brüssel zunächst hämisch als ein Kleinbeigeben zur offiziellen EU-Politik erhofft wurde, erwies sich als voreilig. Orbàn kehrte mit der Zusage Selenskyjs zurück, ein Grundlagendokument für die bilateralen Beziehungen auszuarbeiten, in dem unter anderem umfassende Rechte für die ungarische Minderheit festgeschrieben werden. Und er hat sich von Selenskyj die ukrainischen Grenzen für Verhandlungen zur Beendigung des Kriegs erläutern lassen.
Empörung über Besuch bei Kriegsherr Putin
Als er am 5. Juli in Moskau eintraf, rotierten die beschämten EU-Spitzen. Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, tobte auf Twitter: „Die rotierende EU-Präsidentschaft hat kein Mandat, im Namen der EU mit Russland zu verhandeln.“ Ihm folgte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Orbán "Appeasement-Politik" vorhielt und martialisch tönte: „Nur Einigkeit und Entschlossenheit werden den Weg zu einem umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine ebnen.“
Ungarn letztes Land in Europa, mit dem beide Seiten reden
Orbán ließ es sich nicht nehmen, gegen die Brüsseler Kriegstreiber zu stacheln: Seine Besuche in Kiew und Moskau seien auch als „Friedensmission“ gedacht – in niemandes Auftrag. Sondern deswegen, weil dieser Krieg nicht aufhören werde, wenn niemand etwas im Sinne eines Friedens unternehme, und weil Ungarn das letzte Land in Europa sei, das noch mit beiden Seiten reden könne. Der ungarische Ministerpräsident kündigte an, die Ergebnisse seiner Reise den EU-Oberen in Brüssel mitteilen.
Persönlicher Empfang durch Chinas Staatschef
Aber vorher, am 8. Juli, reiste er noch schnell nach Peking, dem engsten und mächtigsten Verbündeten Russlands. Das chinesische Außenministerium ließ vorab verlauten, dass man „Themen von gemeinsamem Interesse“ besprechen werde. Auch in Peking hat der Ungar einen Bonus gegenüber den EU-Granden, die bei ihren Besuchen nur von Ministern oder deren Stellvertretern empfangen wurden. Orbán trifft Chinas Staatschef Xi Jinping persönlich. Die beiden hatten im Mai in Budapest eine strategische Partnerschaft vereinbart.
EU sieht sich von Ratsvorsitzendem Orbán nicht vertreten
Nach diesem diplomatischen Hattrick fühlte sich auch der Außenbeauftragte der EU, der spanische Sozalist Josip Borrel, auf den Schlips getreten: Der EU-Ratsvorsitz ermächtige zu keinerlei Vertretungsbefugnissen im außenpolitischen Bereich. Nach Orbáns Blitztour müssen jetzt nur noch alle, die von Frieden reden, auch zeigen, ob sie es ernst meinen. Allen voran Brüssel.